Beschlussvorlage - 2021/830

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Beratungsfolge

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Sachverhalt

Das Thema „Ton- und Bild/Filmaufnahmen während öffentlicher Stadtratssitzungen“ war bereits Gegenstand der konstituierenden Sitzung des Stadtrates am 13.8.2019 (siehe TOP 4). In einer anschließenden Hauptausschusssitzung am 12.9.2019 wurde unter TOP 4 nach der damals geltenden Rechtslage von Seiten der Verwaltung über das Thema informiert. Seinerzeit konnte mangels einer gesetzlichen Regelung die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der Übertragung von Stadtratssitzungen im Internet ausschließlich auf eine wirksame Einwilligung der jeweils betroffenen Personen gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a DSGVO gestützt werden. Dies bedeutete, dass jede Person (somit auch jedes Ratsmitglied), welche von einer Bild- und Tonaufnahme sowie Bild- und Tonübertragung erfasst wird, ihr vorheriges Einverständnis in diese Datenverarbeitung geben musste.

 

Seit Inkrafttreten einer Änderung des § 40 KSVG mit Wirkung zum 18.12.2020 existiert nunmehr eine (fach-)gesetzliche Regelung. Gemäß Abs. 1 Satz 2 und 3 sind „in öffentlichen Sitzungen des Stadtrates Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen durch Presse, Rundfunk und andere Medien zulässig, soweit die Geschäftsordnung des Stadtrates dies bestimmt. Gleiches gilt für vom Stadtrat selbst veranlasste Ton- und Bildübertragungen sowie Ton- und Bildaufzeichnungen in öffentlichen Sitzungen.“ D.h. der Stadtrat müsste zunächst einen grundsätzlichen Beschluss fassen, dass zukünftig die öffentlichen Sitzungen des Stadtrates im Internet in Bild und Ton übertragen werden. Dies würde durch eine Regelung in der Geschäftsordnung geschehen, die gemäß § 39 Satz 2 KSVG mit Zustimmung der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder (somit 20 Ja-Stimmen) wirksam wird. Eine Einstimmigkeit ist somit nicht notwendig.

 

Im Gegensatz zur vorherigen Gesetzeslage gestattet die neue Regelung des § 40 Abs. 1 S. 3 KSVG in Bezug auf Ratsmitglieder eine Übertragung nunmehr auch ohne eine vorherige Einwilligung, da jedes Ratsmitglied gemäß § 40 Abs. 1 Satz 4 verlangen kann, dass die Übertragung und Aufzeichnung seines Redebeitrags oder die Veröffentlichung der Aufzeichnung unterbleibt. Das Ergebnis ist somit gleich, da in beiden Fällen die Verarbeitung mit der Zustimmung der betreffenden Ratsmitglieder steht und fällt. Die Mitglieder, welche ihrer Datenverarbeitung widersprechen, sind von einer Erfassung in Bild und Ton auszunehmen. Organisatorisch ließe sich dies nur durch einen eng umgrenzten Aufnahmebereich (z.B. enger Fokus auf das Rednerpult) realisieren. Von der Aufnahme und Übertragung würden dann nur diejenigen Mitglieder erfasst, welche sich freiwillig „vor die Kamera“ begeben.

 

Die Übertragung von Redebeiträgen von Bürgern im Rahmen der Einwohnerfragestunde sowie von städtischen Bediensteten, die nicht zur Leitungs- oder Führungsebene gehören, scheidet weiterhin aus, da in diesen Fällen keine wirksame Einwilligung erteilt werden kann. Es muss somit auch während einer Sitzung gewährleistet sein, dass diese sich außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera befinden. Eine Internetübertragung der Saalöffentlichkeit in Bild und Ton ist nach wie vor nicht datenschutzkonform durchführbar. Ressort- und FachbereichsleiterInnen müssten im Falle von Wortbeiträgen im Vorfeld ihre Einwilligung zur Übertragung oder Veröffentlichung im Internet erteilen. Die neue Vorschrift des § 40 Abs. 1 S. 3 KSVG kann – wie ein Blick auf die Widerspruchsnorm des § 40 Abs. 1 S. 4 KSVG verdeutlicht – nur als Verarbeitungsgrundlage in Bezug auf Ratsmitglieder verstanden werden.

 

Vor diesem Hintergrund scheidet auch nach der jüngsten Gesetzesänderung eine „Live“-Übertragung, d.h. eine Übertragung des Video- und Tonsignals in Echtzeit, aus datenschutzrechtlichen Gründen weiterhin aus, da in jedem Fall sicherzustellen ist, dass jegliche Übertragung von Äußerungen Dritter (Zwischenrufe der Zuschauer, Gespräche der Ratsmitglieder mit persönlichem Inhalt etc.) unterbleibt. Wenn Ratsmitglieder am Rednerpult stehen, die der Datenübertragung nicht zugestimmt haben, müsste die Live-Aufnahme gestoppt werden, was in der Praxis für erhebliche Probleme sorgen würde. In organisatorischer Sicht lässt sich dies nur durch eine zeitverzögerte Datenübertragung der gesamten Bild-/Tonaufnahme realisieren. Nur so können die Ratsmitglieder, die einer Übertragung ggfls. nicht zustimmen, herausgeschnitten werden.

 

Auch, wenn keine Einstimmigkeit bei einem Beschluss über die Übertragung von Sitzungen im Internet erforderlich ist, macht eine solche Übertragung aus Sicht der Verwaltung nur bei einer breiten Zustimmung des Stadtrates Sinn, da es im Ergebnis nicht wirklich zufriedenstellend wäre, wenn im Rahmen einer Übertragung/Veröffentlichung nur wenige Mitglieder zu hören/sehen wären. Wenn große Teile der Sitzung nicht übertragen werden dürften bzw. herausgeschnitten werden müssten, könnte der interessierten Bevölkerung kein zutreffendes Bild vermittelt werden, wie Entscheidungen im Stadtrat zustande kommen und wie die Haltung der einzelnen Fraktionen bzw. Ratsmitglieder bei Sachthemen war. Der Informationsgehalt der Aufzeichnung/Übertragung im Internet wäre aus Verwaltungssicht dann (sehr) gering und würde für die Zuschauer keinen Mehrwert darstellen bzw. teilweise verwirren.

 

Neben der temporären Videoaufzeichnung und -übertragung über das Internet kommt auch eine u.U. beabsichtigte längere Speicherung und Zurverfügungstellung der Aufzeichnungen (Archivierung der aufgezeichneten Sitzungen) auf der städtischen Internetseite in Betracht. Dabei wird der Zeitraum einer Wahlperiode als angemessen angesehen; d.h. nach Ende einer Amtszeit wären die Übertragungen von der Internetseite zu entfernen.

 

Die Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KSVG findet über die Verweise in § 48 Abs. 6 und § 74 KSVG auch auf die Ausschüsse und Ortsräte sinngemäße Anwendung.

 

Die Rechtsauffassung des Unabhängigen Datenschutzzentrums Saarland in dieser Angelegenheit wurde bei der Erstellung dieser Vorlage berücksichtigt. Der Datenschutzbeauftragte der Kreisstadt Merzig wurde ebenfalls im Vorfeld eingebunden.

 

Hinweis: Der Stadtrat lehnte in seiner Sitzung am 10.02.2020 den Antrag der B90/Die Grünen-Fraktion, die Tonaufnahmen aller künftigen öffentlichen Sitzungen auf der städtischen Homepage zu veröffentlichen, ab (TOP 3.3).

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Finanzielle Auswirkungen: Die Aufnahme einer Sitzung mit Nachbearbeitung und Schnitt zum anschließenden Hochladen des Videos auf einer Internetseite (spätestens nach 24 Stunden) kostet nach ersten Recherchen bei entsprechender Qualität zwischen 800 und 1.500 € (zzgl. MwSt.). Einer anderen Kreisstadt liegen Angebote von Fachfirmen über (jeweils brutto) 1.700 €, 3.700 € und 5.600 € (bei drei Kameraeinstellungen pro Sitzung) vor.

 

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