Beschlussvorlage - 2025/0394-001

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Kreisstadt Merzig begrüßt ausdrücklich das Ziel, den ÖPNV im Landkreis Merzig-Wadern und in der Kreisstadt Merzig zu stärken und die Mobilität insbesondere in den ländlichen Räumen zu verbessern.

 

In Abwägung aller vorliegenden Aspekte und aufgrund der überwiegend zu erwartenden negativen Auswirkungen in der Kreisstadt Merzig lehnt die Kreisstadt Merzig allerdings eine Reaktivierung der Bahntrasse Merzig – Losheim am See ab und wird das Projekt nicht aktiv unterstützen.

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Sachverhalt

Die Landesregierung hat am 12.11.2024 die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken für den Personennahverkehr im Saarland vorgestellt. Die Strecke Merzig – Losheim am See erfüllt danach mit einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1,87 (Halbstundentakt) bzw. 1,63 (Stundentakt) die grundsätzliche Voraussetzung zur Förderung einer Reaktivierungsmaßnahme durch den Bund. Untersucht wurde hierbei der jetzige Personennahverkehr im Vergleich zur Reaktivierung.

 

Insgesamt drei Bahntrassen verfügen laut der Studie im Saarland über das Potenzial für eine Reaktivierung: Neben der Strecke Merzig – Losheim am See auch die Primstalstrecke und die Rossel-/Bliestalbahn. Begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen erfordern eine Priorisierung durch das Land hinsichtlich der weiteren Umsetzungsschritte in Richtung Reaktivierung. Vor der Sommerpause 2025 will der Ministerrat hierzu eine Entscheidung treffen.

 

Die Rückmeldungen der Kommunen zu den Planungen werden am Ende mitentscheidend sein, ob und für welche Strecke(n) die weitere(n) Planung(en) für eine Reaktivierung fortgesetzt wird/werden.

 

Die Landesregierung erwartet bis zum 09.05.2025 eine Rückmeldung von den beteiligten Kommunen, ob die Reaktivierung der Bahnstrecke gewünscht und unterstützt wird.

 

Auf Wunsch der Kreisstadt Merzig, der Gemeinde Losheim am See sowie des Landkreises Merzig-Wadern fand am 28.04.2025 in Merzig eine Informationsveranstaltung mit Vertretern des Ministeriums für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar- und Verbraucherschutz statt. Die im Vorfeld dem Ministerium zugesandten Fragen konnten basierend auf dem aktuellen Planungsstand nur teilweise beantwortet werden.

Einige Fragen können nach Aussage der Vertreter des Ministeriums erst im Laufe nächster Planungsschritte konkret beantwortet werden.

 

Zu einigen Fragen konnten hingegen eindeutige Aussagen getroffen werden.

 

Nach dieser Informationsveranstaltung hat die Stadtverwaltung Vor- und Nachteile für die Kreisstadt Merzig abgewogen. Für die Beurteilung des gesamten Vorhabens standen dabei diejenigen Aspekte im Vordergrund, die unmittelbar auf die Entwicklung der Kreisstadt Merzig wirken und Einfluss auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger haben. Bei dieser fachlichen Abwägung war sich die Stadtverwaltung der Rolle Merzigs als Kreisstadt bewusst und hat die Wirkung auf die infrastrukturelle Entwicklung des Landkreises in die Entscheidungs-findung einfließen lassen.

 

Im Abwägungsprozess wurden insbesondere folgende Aspekte genauer analysiert:

 

- Zukünftige Anbindung des ehem. V&B Areals an das innerstädtische Verkehrssystem

- Mögliche Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Bahntrasse

- Auswirkungen auf den ÖPNV

- Entwicklungsperspektiven bis zu einer möglichen Reaktivierung der Bahntrasse

- Auswirkungen auf das innerstädtische Verkehrssystem

- Gesamtkosten und Finanzierungsanteil für die Kreisstadt Merzig

- Alternativenprüfung hinsichtlich Stärkung des ÖPNV

 

  1. Zukünftige Anbindung des ehemaligen V&B-Geländes

 

Für die städtebauliche Entwicklung der ehemaligen V&B-Fläche (ca. 250.000qm) und damit auch verbunden die mögliche Schaffung neuer Arbeitsplätze ist aus Sicht der Verwaltung eine mehrfache Anbindung des Geländes an die Losheimer Straße unabdingbar. Hierzu sind die Verschiebung einer bestehende Bahnquerung sowie die Errichtung einer zusätzlichen Bahnquerung notwendig.

Nach Aussage der Vertreter des Ministeriums ist ein zusätzlicher Schienenübergang allerdings nicht möglich.

Aufgrund dieser Aussage würde eine Entwicklung der ehemaligen V&B-Fläche massiv behindert werden und angrenzenden Wohnlagen, insbesondere im Rotensteiner Weg, würden eine nicht hinnehmbare Belastung erfahren.

Die städtebauliche Entwicklung und Umsetzung dieses wichtigen Schlüsselprojektes für die Kreisstadt Merzig sind somit gefährdet. Einschränkungen bei dieser Leitinvestition gefährden die Wirtschaftskraft unserer Kreisstadt und behindern in der Folge die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

 

 

 

  1. Mögliche Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Bahntrasse

 

Durch eine Reaktivierung der Bahntrasse und einen halbstündigen (bevorzugte Variante) Bahnverkehr entsteht eine Lärmbelastung für die unmittelbar an der Bahntrasse befindlichen Wohn- und Geschäftslagen. Die Lärmbelastung wird aufgrund der beabsichtigten Elektrifizierung und Modernisierung der Schienen zwar geringer sein als bei einem Dieselbetrieb der Loks, aber aufgrund der engen Taktung der Fahrten dennoch zu einer deutlich höheren Belastung führen als es der Fall war, als die Bahn vor Jahren noch gefahren ist.

Zudem führt auch der angedachte Güterverkehr zu einer zusätzlichen Lärmbelastung.

Nach Aussage der Vertreter des Ministeriums besteht aber für die betroffenen Anwohne-rinnen und Anwohner kein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen.

Ein aktiver Lärmschutz (z.B. Lärmschutzwand) wird daher nicht errichtet werden. Maß-nahmen zum passiven Lärmschutz (z.B. Lärmschutzfenster) müssten daher einzig und al-lein von den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern geleistet werden.

 

  1. Auswirkungen auf den ÖPNV

 

Grundsätzlich ist eine Reaktivierung einer Bahntrasse unter Umständen geeignet, Ver-kehre von der Straße auf die Schiene und damit auf den ÖPNV zu verlagern. Dies gilt auch für Gütertransporte. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn Siedlungsstrukturen und/oder Gewerbe- oder Industriegebiete unmittelbar und vor allem zentral an einer Bahntrasse liegen.

Die Siedlungsstruktur insbesondere in Brotdorf hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten allerdings weg von der Bahnlinie entwickelt. Eine fußläufige Erreichbarkeit eines neuen „Bahnhaltepunkt Brotdorf“ in zumutbarer Entfernung ist aus zahlreichen Wohngebieten in Brotdorf nicht gegeben.

Von der R1 werden die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger derzeit relativ gut angebunden. Bei Wegfall der R1 würde sich die ÖPNV-Situation für diese Menschen deutlich verschlechtern. Alternativ müssten zusätzliche Buslinien von Brotdorf eingerichtet wer-den mit einer durchgängigen Verbindung bis Merzig, damit Fahrgäste auf der kurzen Entfernung zum Mittelzentrum Merzig nicht umsteigen müssen.

Für den Aufbau und die Finanzierung dieses neuen Bus-ÖPNV wäre die kommunale Ebene verantwortlich. Daher muss mit deutlich höheren Kosten für die Kreisstadt Merzig gerechnet werden, um den derzeit gut funktionierenden und vom Land finanzierten Bus-ÖPNV für die Bürgerinnen und Bürger in Brotdorf aufzubauen bzw. zu erhalten.

 

  1. Entwicklungsperspektiven bis zu einer möglichen Reaktivierung der Bahntrasse

 

Dem Wunsch, während der Planungsphase bis zu einer möglichen Reaktivierung (ab frühestens 2040) eine temporäre Stilllegung der Trasse und die Anlegung eines Radweges auf den Gleisen als Zwischenlösung zu ermöglichen, wurde seitens der Vertreter des Ministeriums eine Absage erteilt. Auch bei Zustimmung des Landes sei eine solche Zwischenlösung zu 100 % durch die Kommunen zu finanzieren und zu unterhalten. Ob letzt-endlich eine Reaktivierung als Bahnstrecke in 2040 trotz durchgeführtem Planungsverfahren kommt, kann nicht verbindlich zugesagt werden.

Ohne Zwischennutzung der Bahntrasse bestünde demnach ein weiterer Entwicklungsstillstand für die kommenden mindestens 15 Jahre, der nicht hinnehmbar ist.

 

 

  1. Auswirkungen auf das innerstädtische Verkehrssystem

 

Aufgrund des angestrebten halbstündigen Takts der Bahn würde an den jeweiligen Kreuzungspunkten in Brotdorf und entlang der sehr stark befahrenen Losheimer Straße in Merzig sowie an den angrenzenden, zu querenden Straßen mehrfach täglich - auch im Berufsverkehr – erheblich in den fließenden Verkehr eingegriffen werden. Dies würde vermutlich zu deutlich mehr Rückstau in der Ortsdurchfahrt Merzig führen. Welche konkreten Auswirkungen dies auf den innerstädtischen Verkehrsfluss haben würde und in-wieweit das Straßenverkehrssystem daraufhin umgebaut werden müsste, konnte nicht beantwortet werden. Ebenso konnte die Frage nicht beantwortet werden, wer für die dadurch entstehenden Kosten aufkommen müsste. Hier ist eher davon auszugehen, dass diesbezügliche Kosten nicht durch das Land übernommen werden.

Festhalten lässt sich, dass der Verkehrsfluss in der Kreisstadt Merzig negativ beeinträchtigt wird (auch dann, wenn sich die Anzahl der motorisierten Verkehrsmittel etwas reduzieren sollte) und mit großer Wahrscheinlichkeit Kosten für mögliche Umbauten im Straßenverkehrssystem auf die Kreisstadt Merzig zukommen.

 

  1. Gesamtkosten und Finanzierungsanteil für die Kreisstadt Merzig und den Landkreis als Träger des Bus-ÖPNV

 

Zwar wird die Reaktivierung mit den erforderlichen Haltepunkten im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes durch Bundesmittel und einer ergänzenden Landeszuweisung zu 100 % finanziert, allerdings fallen neben diesen Investitionen zahlreiche weitere Investitionen an, die nach derzeitigem Stand von den Kommunen finanziert wer-den sollen. Dabei handelt es sich insbesondere um notwendige bauliche Maßnahmen im Rahmen der begleiteten Infrastruktur (Haltepunkte, Bahnhöfe, Parkplätze, Bushaltestellen, Radabstellanlagen etc.). Fördermöglichkeiten sind laut Ministerium über das Pro-gramm „NMOB“ (Nachhaltige Mobilität im Saarland) möglich.

Trotz Darstellung von Fördermöglichkeiten konnte die Kostenfrage für die kommunalen Investitionen nicht vollumfänglich beantwortet werden, das heißt: Bei einer Zustimmung der Kommunen zur Bahntrasse ist völlig offen, welche Kosten letztendlich für notwendige Infrastrukturen anfallen und wie diese letztlich die Kommunen belasten. Es besteht also ein finanzielles Risiko.

 

Das Gutachten kalkuliert das notwendige Investitionsvolumen auf bis zu 49 Millionen EUR (Baujahr 2024). In diesem Zusammenhang stellt sich weiterhin die Frage, ob sich die Bundesförderung auf das tatsächliche Investitionsvolumen nach Fertigstellung oder lediglich auf das gutachterlich Ermittelte bezieht. Rechnet man die kalkulierten Investitions-kosten auf Basis der durchschnittlichen Kostensteigerungen pro Jahr hoch bis ins Jahr 2040, so ist realistisch von Investitionskosten in Höhe mehr als 90 Mio. € auszugehen.

Es muss in diesem Zusammenhang außerdem betrachtet werden, dass notwendige Grundstückskäufe für Bahnsteige etc. (alle ehemaligen Haltestellen/Bahnhöfe wurden in den letzten Jahren privatisiert) seitens der Gutachter nicht berücksichtigt wurden.

Auch laufende Kosten zum Betrieb des Schienenverkehrs, der jährlich durch Landesmittel bezuschusst werden muss, wurden nicht beziffert.

 

Zahlreiche Aspekte lassen derzeit keinen Rückschluss auf entstehende einmalige und laufende Kosten für die Kreisstadt Merzig zu, da der Gutachter lediglich die Kosten für die eigentliche Trasse ermittelt hat, was im Rahmen der formellen Prüfung der Machbarkeit gem. Bundeseisenbahnvorschriften auch seine Aufgabe war.

Solange aber nicht alle Kosten vollumfänglich beziffert werden, kann seitens der Kreis-stadt Merzig in dieser Hinsicht keine positive Stellungnahme abgegeben werden. Insbesondere nicht in einer Zeit, in der die Kommunalaufsicht des Landes die Erwartung zum Ausdruck bringt, dass die städtische Infrastruktur reduziert werden soll und bei allen Maßnahmen ein deutlich positives Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht werden muss.

 

  1. Alternativenprüfung hinsichtlich Stärkung des ÖPNV

 

Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden der „Mit-Fall“ und der „Ohne-Fall“ in Vergleich gesetzt. Das bedeutet, dass einerseits die jetzige Situation des Verkehrssystems im Vergleich mit einer Reaktivierung der Bahntrasse untersucht wurde.

Eine „echte“ Alternativenprüfung mit einem neuen Ansatz wie z.B. die Kombination eines elektrifizierten Bus-ÖPNV mit moderner Angebotsstruktur und zusätzlich eines durchgehenden Radweges vom Hauptbahnhof Merzig bis Losheim am See wurde nicht unter-sucht und demnach nicht als Vergleich herangezogen.

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Finanzielle Auswirkungen:

Es besteht ein erhebliches finanzielles Risiko, das derzeit nicht konkret ermittelt werden kann.

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Auswirkungen auf das Klima:

Eine Stärkung des ÖPNV jeglicher Art wirkt sich positiv auf das Klima aus und kann einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Ob eine Reaktivierung des Schienenverkehrs eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung erzielt und damit verbunden eine bessere Klimabilanz ausweist als ein möglicher Ausbau eines Fahrradweges in Kombination mit einem E-Bus-System, kann derzeit nicht beantwortet werden.

Ob eine Investition der skizzierten Größenordnung inkl. des dauerhaften Unterhaltungsaufwandes und der damit einhergehende Flächenverbrauch eine gutachterlich prognostizierte Zunahme der ÖPNV-Nutzung von lediglich 0,4% rechtfertigt, muss kritisch hinterfragt werden.

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