08.12.2022 - 12 Einschlagstopp in älteren Buchenmischwäldern in...

Beschluss:
ungeändert beschlossen
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Der Vorsitzende erklärt, die im Nachgang zur Hauptausschusssitzung gewünschten Unterlagen habe man für die heutige Sitzung zur Verfügung gestellt.

Fraktionsvorsitzender Borger (Bündnis 90/Die Grünen) führt aus, es sei ein landesweites Thema, dass die Klimakrise den Wäldern und insbesondere den Forsten erheblich zusetze. Er danke der Verwaltung für die ausführlichen Informationen. Man habe auch in der Vergangenheit schon über die Forstwirtschaftspläne diskutiert. Zum Thema nenne er einige Fakten, die nicht als Kritik gesehen werden sollen. Grundlage für die Hiebsätze für das kommende Jahr seien die Forsteinrichtungswerke. Das für Merzig sei abgelaufen zum Ende des Jahres. Man steige also 2023 in ein Jahr ein, für das keine Forsteinrichtung vorliege. Es gebe landesweit viele Forstbetriebe, die keine aktuelle Forsteinrichtung hätten. Das sei unter anderem dem Personalmangel der zuständigen Stelle geschuldet. Man habe also keine Naturaldaten im Wald. Auf einer immer geringer werdenden produktiven Waldfläche solle trotz der überall sichtbaren Schäden mehr genutzt werden, als im Schnitt der letzten 5 Jahre. Im Schnitt habe man etwa 8.500 Festmeter genutzt. Dann habe man im letzten Jahr festgestellt, dass die Nadelwälder, insbesondere die Fichten und Küstentannen, zum großen Teil abgestorben seien. Die Buchenwälder, vor allem die Altbuchenwälder, seien am Absterben. Trotzdem solle der Einschlag nach Empfehlung der Verwaltung um ein Drittel erhöht werden. Das passe nicht zusammen. Wenn man sich auf die Nadelwälder beschränken könne, da sie abstürben, dann könne er dies noch verstehen. Deswegen habe man auch betont, dass man das biologische Gold, die alten Buchenwälder, schützen müsse, bis man aktuelle Zahlen habe. In den letzten Jahren habe sich im Wald, nicht nur im Stadtwald, vieles dramatisch verändert. Landesweit werde aktuell eine neue Waldbaurichtlinie erarbeitet, da man erkannt habe, dass die bisherigen Waldbauverfahren nicht mehr funktionierten. Die bisherigen Verfahren seien vollkommen überholt, da es alles flächige Ansätze seien. Dies funktioniere in Zukunft nicht mehr. Der Saarforstlandesbetrieb habe erklärt, er mache in Zukunft keinen wirtschaftlich ausgerichteten Waldbetrieb mehr, sondern nur noch Biodiversität im Staatswald. Er frage, ob man sich nicht auf ein Moratorium einigen könne und die letzten alten Buchenwälder, ca. 350 Hektar, bis die neuen Inventurdaten und die neuen Waldrichtlinien vorliegen, zurückhalten könne. Dies müsse nicht für immer gelten, aber vorerst wäre es ein Kompromiss.

Fraktionsvorsitzender Auweiler (CDU) erklärt, jeder im Stadtrat habe erkannt, dass sich die Wälder in den vergangenen Jahren verändert hätten. Der Vorschlag von Herrn Borger sei interessant. Es sei seitens der Verwaltung umfassend in der Vorlage informiert worden. Zudem habe es auch 2 Waldbegänge gegeben. Der Einschlag werde reduziert. Schaue man sich die Jahre 2013 bis 2022 an, so sei man genau in den angestrebten Einschlagszahlen drin. Gerade bei den nächsten Forsteinrichtungen müsse man schauen, wie man damit umgehe. Die CDU-Fraktion habe sich bisher sehr gut von der Fachabteilung und den Förstern beraten gefühlt. Die Förster seien engagiert, um den Stadtwald gut darzustellen. Dass man dort sehr gut aufgestellt sei, sei schon mehrfach von Externen bestätigt worden. Man habe bereits erreicht, dass 26,6% der Waldflächen nicht oder nicht regelmäßig bewirtschaftet werden, und dass man die Vorräte habe deutlich ansteigen lassen. Mit den Beschlüssen der letzten Jahrzehnte sei man schon weit über dem, was die Bundesregierung nun fordere. Er habe sich informiert, was der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung dazu sage. Dort sei gesagt worden, dass eine zeitweilige Durchforstung die Wasserverfügbarkeit im Bestand erhöhen könne. In jüngeren Altersklassen sei eine höhere CO2-Bindungsrate ersichtlich. In höherem Bestandsalter nehme diese stetig ab. Das heiße nicht, dass man nur junge Wälder haben wolle. Die CDU-Fraktion halte eine gute Mischung aus jungen und älteren Beständen für sinnvoller. Interessant sei auch, dass von den klimatischen Extremen und einer Zunahme gerade die älteren Bestände bedroht seien, laut dem wissenschaftlichen Beirat. Man sehe, dass das Leitbild des Klimaschutzplans sich am Leitbild des Weltklimarates orientiere, wonach der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung ein geeignetes Mittel seien, um kostengünstige Mittel zur Reduzierung der Treibhausemmissionen darzustellen. Man sage auch, dass Holzprodukte dazu da seien, um CO2 zu speichern oder durch das Verbrennen von Holz zur Erzeugung von Wärme auch fossile Brennstoffe eingespart würden. Die CDU-Fraktion setze sich für einen Klima-Umweltschutz und eine nachhaltige Nutzung ein. Deshalb vertraue man der Verwaltung, insbesondere den forstlich versierten Förstern. Man stimme der Reduzierung der Einschlagsmenge, wie vorgeschlagen, zu.

Stadtratsmitglied Dyck (SPD) führt aus, Herr Borger unterstelle in seinem Antrag die Absicht der Stadt, den Gewinn zu maximieren, dass die Stadt vorrangig Gewinne erwirtschaften wolle und sogar Vorschläge mache, „den Bürger aus dem Wald herauszuhalten“. Das Gegenteil sei der Fall. Seit vielen Jahren gelte die Aufmerksamkeit der Stadt der Erfüllung der vielfältigen Aufgaben, die der Wald für die Bürger heute und in Zukunft habe. Der Wald sei zum Beispiel auch ein Naherholungsgebiet. Um das zu ermöglichen, sei es der Stadt wichtig, den Bürger eben nicht aus dem Wald herauszuhalten, sondern für eine sichere Nutzung der Wege zu sorgen. Erst, wenn dies nicht mehr möglich sei, würden einzelne Wege gesperrt. Weiter unterstelle Herr Borger, dass Schäden im Wald der Stadt mit „großflächigem Heißschlagen“ zusammenhingen. Er werfe der Stadt sogar vor, den Wald bis auf die Knochen „auszubeinen“. Pierre Ibisch, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, beschreibe den Begriff „heißschlagen“ so: „Größere Kahlschläge, die zu einer erheblichen Temperaturerhöhung führen, weil die Sonnenstrahlen bis zum Boden gehen. Die Folgen: Der Boden heizt sich auf, Kohlenstoff entweicht und die Bäume am Rand der neuen Lichtung geraten in Stress. Das nennt man heißschlagen.“ Das sei schlimm und das gebe es wirklich - aber nicht im Merziger Wald. Hier gehe es um den Merziger Wald. Dieser werde nicht heißgeschlagen. Das sei seit vielen Jahren vorbei. Die Stadt wisse um den vielfältigen Nutzen des Waldes und die Verantwortung hierfür, zum Beispiel für die Verbesserung des lokalen Mikroklimas und den Erhalt der Artenvielfalt. Deshalb werde über ein Viertel der gesamten Waldfläche nicht oder nicht regelmäßig bewirtschaftet. Deshalb werde viel weniger Holz genutzt als nachwachse. Deshalb lasse man Biotopbäume stehen. Die Stadt wisse um den Nutzen des Waldes als CO2-Senker, als Erzeuger von Humus, in dem enorme Mengen an CO2 gebunden würden, als Lieferant als Werkstoff für Dächer, Fenster, Türen und Möbel, der das aufgenommene CO2 bis zum Ende ihrer Nutzung speicherte. Ebenso sei der Wald Lieferant für Brennholz aus nachhaltiger Bewirtschaftung. Brennholz sei ein Heizmittel, das nicht mehr Treibhausgas emittiere, als beim Nachwachsen wieder eingefangen werde. Wie würde sich das vorgeschlagene Moratorium des Einschlags auf den Wald als CO2-Senker auswirken? Aus den Ergebnissen der letzten Kohlenstoffinventur von 2017 lasse sich ablesen, dass die CO2-Bindungsrate umso mehr abnehme, je älter der Baumbestand werde. Das spreche deutlich für einen sorgsamen Einschlag – so, wie ihn die Förster seit Jahren in Merzig handhabten. Je älter Bäume würden, desto anfälliger seien sie für Störungen und klimatische Extreme. Ein robuster Wald brauche eine gesunde Mischung aus alten und jungen Pflanzen. Eine fundierte Abwägung, wie sie der Rat leisten solle, brauche Fakten. Diese Fakten liefere der Beirat für Waldpolitik der Bundesregierung. Sein Fazit sei: Die Anlässe für den Antrag seien an den Haaren herbeigezogen und, so ein Zitat aus der Saarbrücker Zeitung, völliger Unsinn. Ein Einschlagstopp verschlimmere die Lage noch weiter und sei nicht im Sinne der Bürger. Handlungsbedarf gebe es trotzdem. Die SPD-Fraktion stimme dem Verwaltungsvorschlag zu.

Fraktionsvorsitzender Borger (Bündnis 90/Grüne) äußert, die teilweisen „Fake News“ von Herrn Dyck seien Kokolores. Die Ansicht, dass ältere Bäume weniger CO2 speicherten, sei überholt. Der vom Fraktionsvorsitzenden Auweiler (CDU) angesprochene wissenschaftliche Beirat sei von der letzten Bundesregierung und dem CDU-besetzten Wirtschaftsministerium gewesen. Herr Professor Ibisch habe sich den Merziger Wald bereits angesehen. Entscheidend seien die letzten fünf Einschlagsjahre, allesamt Jahre der Heißzeit. Die Stadt habe in diesen Jahren selbst weniger eingeschlagen, im Schnitt 8000 fm. Jetzt wolle man auf 12.500 fm erhöhen. Außerdem liege man in Merzig nicht über den Vorgaben der Bundesregierung, was die Waldschutzfläche betreffe. Die Vorgaben der Bundesregierung beträfen Flächen, die nach dem Bundes- oder Landesnaturschutzgesetz gesichert seien. Referenzflächen seien keine Schutzflächen. De facto habe man als Kommune die Vorgaben nicht erfüllt. Als konkreten Beschlussvorschlag formuliert er, für die 90-jährigen Buchenbestände keinen Einschlagstop für immer zu verhängen, sondern die Ergebnisse der Forsteinrichtung und die Waldrichtlinien des Landes abzuwarten.

Fraktionsvorsitzender Auweiler (CDU) betont man sehe, dass das Thema alle beschäftige. Man habe in den letzten Monaten ausgiebig diskutiert, die Ratsmitglieder seien aber keine ausgebildeten Förster, deshalb vertraue man den Informationen, die man unter anderem von den beiden Revierförstern, aber auch von der Bundesregierung oder anderen Wissenschaftlern bekomme. Er komme zu dem Ergebnis, der Verwaltung mit den wissenschaftlich untermauerten Fakten zu folgen. Entwicklungen in der Zukunft werde man sich immer kritisch ansehen, aber heute werde man den Verwaltungsvorschlag beschließen.

Der Vorsitzende beteuert, er habe keine Möglichkeit gehabt, sich über den vom Fraktionsvorsitzenden Borger (Bündnis 90/Grüne) formulierten Änderungsantrag verwaltungsintern auszutauschen. Unabhängig vom zu fassenden Beschluss sagt er zu, sich intern mit den Vorschlägen von Herrn Borger auseinandersetzen zu wollen. Man werde den Rat dann informieren.

Der Änderungsantrag der Grünen-Fraktion, für Buchenmischwälder in Beständen mit einem mittleren Bestandsalter von 90 Jahren einen vorläufigen Einschlagstopp zu beschließen, bis die Ergebnisse der Forstwirtschaftseinrichtung und die Waldrichtlinien des Landes vorliegen, wird mit 5 Ja- und 18 Nein-Stimmen bei 10 Enthaltungen abgelehnt.

 

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Beschluss:

Der Stadtrat lehnt den gestellten Antrag ab. Als Reaktion auf die klimatischen Veränderungen wird abweichend zum beschlossenen Forstwirtschaftsplan 2022 der Holzeinschlag für das laufende Jahr freiwillig auf 12.500 Festmeter begrenzt.

 

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Abstimmungsergebnis:

 

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthaltungen

28

5

0

 

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Anlagen zur Vorlage

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